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Als wir im Dezember 2020 unsere Crowdfundingkampagne starteten, waren wir optimistisch, dass unsere Unterstützer:innen den ersten Wesponsible-Kaffee im Sommer in den Händen halten können. Ein Jahr später sind wir immer noch optimistisch – denn unser Kaffee ist endlich auf dem Weg zu uns. Doch unser Vorhaben stellte sich in Zeiten von Militärdiktaturen, Covid-19 und die weltweite Containerkrise, als ziemlich utopisch heraus.
Wir haben viel aus unseren Erfahrungen gelernt und möchten diese gerne teilen. So können Menschen, die ähnliche Projekte starten, mit uns lernen. Gleichzeitig wollen wir unsere Prozesse und Erfahrungen transparent mit euch teilen.
Es sollte klargeworden sein, dass in diesen Zeiten die Logistik generell – aber vor allem über verschiedene Kontinente und Kulturen hinweg – eine riesige Herausforderung darstellt. Unsere globalisierte Welt stellt Menschen vor echte Probleme – so auch uns. Und das nicht nur in Bezug auf die Reduktion der CO₂-Emissionen, wenn es um Transport und Verpackung geht, nein auch in der Durchführung der einfachen, handelsüblichen Transportprozesse gibt Schwierigkeiten.
Zuallererst möchten wir mit ein paar Worte zu der Bedeutung der Logistik in unserer Gesellschaft und für uns bei Wesponsible e.V. einleiten:
„Die Logistik definiert sich nicht nur über Transportprozesse, sondern umschreibt eine Vielzahl von Handlungsfeldern.
Sie sind allesamt wichtig für die unternehmensinternen und -übergreifenden Waren- und Informationsströmen.“
Für ein allgemeines Verständnis eignen sich am einfachsten die „7r“ der Logistik nach Dr. Edward Grosvenor Plowman (Quelle: Plowman. Die Seven Rights of Logistics, ihr Autor und ihre Geschichte. – PDF Free Download (docplayer.org)): „Die richtige Ware zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Menge in der richtigen Qualität für den richtigen Kunden zu den richtigen Kosten.“
Und auch für den Klimaschutz stellt die Logistik einen wichtigen Faktor dar. Der weltweit wachsende Güteraustausch im Zuge der Globalisierung muss mehr in den Fokus gerückt werden. Denn Logistik und Transport verursachen bereits mehr als 5,5 % aller CO₂-Emissionen weltweit (gemäß WEF-Studien) und die Tendenz steigt. Auch dies ist ein Thema, dem sich Wesponsible e.V. verschrieben hat: die Emissionen in den eigenen Prozessen immer weiter zu mindern und zu eliminieren.
„Auch dies ist ein Thema, dem sich Wesponsible e.V. verschrieben hat: die Emissionen in den eigenen Prozessen immer weiter zu mindern und zu eliminieren.“
Doch zurück zur Logistikgeschichte des Vereins:
1. Aufbau des Vereins und die Durchführung einer Crowdfunding-Kampagne
Mit der Gründung und dem Aufbau des Vereins war klar, dass Logistik für uns eine wichtige Rolle spielen wird. Die Entscheidung, als Pilotprojekt den ersten gemeinwohl-ökonomischen Kaffee aus Myanmar zu verkaufen, erforderte, dass die Logistik nicht nur eine Rolle, sondern auch eine immense Herausforderung darstellen wird.
Warum? Die Logistik des Kaffees umfasst, gerade in Deutschland, auch einen großen Berg an Dokumentation und Administrationsaufgaben. Unter anderem, da es in Deutschland eine Kaffeesteuer gibt. Auch die Abwicklung über den Zoll stellt bei dem sensiblen Thema Kaffee eine komplexe Herausforderung dar. Zudem ist ein Transport des Kaffees aus Myanmar prozessual und unter ökologischen Gesichtspunkten kompliziert. Nicht nur der Schiffsverkehr der Ware muss erfolgen.
„Man muss es schlicht und einfach erstmal schaffen, den Kaffee auf den teils maroden, teils nicht vorhanden Transportwegen in die Hafenstadt Rangun zu transportieren.“
Von dort aus ist dann erstmal „nur“ noch die Seefracht zu organisieren und bestenfalls den Kaffee direkt in Hamburg entgegenzunehmen.
2. Corona Pandemie
Obwohl die Welt bereits in der Corona-Pandemie steckte, gab es für uns zunächst noch gute Möglichkeiten, die entsprechende Logistik zu organisieren und eine erste Palette Kaffee nach Hamburg zu importieren. Doch mit zunehmender Dauer der Pandemie wurden die Optionen weniger, weil die Pandemie Myanmar immer härter und härter traf. Die Logistik in und aus dem Land brach ein. Es verblieben nur noch wenige Logistikanbieter und deren Preise wurden immer teurer. Die Container stauten sich langsam in anderen Häfen, vor allem China und den USA.
„So kam es auf einmal in der ganzen Weltwirtschaft zu massiven Verzögerungen, da keine Container mehr verfügbar waren. Dies traf auch Myanmar. Zeitweise waren keine Container verfügbar und Ware konnte nicht mehr wie gewohnt verschifft werden.“
3. Militärdiktatur
Nachdem wir Mitte Januar 2021 die Crowdfunding-Kampagne, trotz der Corona Pandemie, erfolgreich abgeschlossen haben, folgte Anfang Februar 2021 großes Elend mit dem Militärputsch. Als die neue Legislaturperiode des Parlaments und der demokratisch gewählten Regierung unter Aung San Suu Kyi am 1. Februar 2021 beginnen sollte, verkündete das Militär einen Ausnahmezustand von einem Jahr. Das Militär löste das Parlament, bestehend aus 2 Kammern, mit der Begründung des Wahlbetruges auf. Landesweit gab es Proteste, teils gewaltsame Auseinandersetzungen mit tausenden Festnahmen und hunderten Todesopfern – bis in den März eskalierte die Gewalt im Land.
Das Leid, welches durch die Corona-Pandemie und die Militärdiktatur verursacht wurde, hat unser kleines Kaffeeprojekt überschattet. Schlagartig gingen sämtliche Optionen, für den Transport und die Verschiffung unseres Kaffees verloren. Es gab zeitweise keine Option, den Kaffee nach Deutschland zu bekommen.
„Das Leid der Menschen in Myanmar, berichtet durch unser Vereinsmitglied Thomas, seine Verwandten und Freund:innen und unsere Kooperationspartner:innen, machte uns sehr traurig und wütend.“
Die Logistikprozesse und die Planung lagen für eine Zeit auf Eis. Niemand von uns und unseren Partner:innen wollte und konnte sich in dieser Lage ernsthaft mit Kaffeetransporten aus Myanmar beschäftigen – wo die Probleme doch ganz andere waren…
4. Alternative Logistik über Kooperation
Es dauerte etwas, bis es wieder eingeschränkte Möglichkeiten gab, die Logistik von der Farm bis in die Hafenstadt, von der Hafenstadt in Myanmar bis nach Hamburg, zu planen und umzusetzen. Die Lage war nach wie vor schwierig und die Kosten für die Logistikprozesse explodierten. Wir mussten Transportprozesse besprechen und Firmen finden, die uns in dieser Situation weiterhelfen. Mit unserem Kollegen Peter aus Myanmar hatten wir einen neuen Ansprechpartner für Logistik gefunden. Peter ist unser Logistiker vor Ort geworden.
„Dann kam ein weiteres Thema auf uns zu: Wir hatten nun einen festen Logistikansprechpartner, aber auf einmal nicht mehr die richtige Menge Rohkaffee.“
In der Zwischenzeit hatten wir große Teile unseres Rohkaffees verloren. Denn auf Grund der undurchsichtigen Situation hatte unser Kooperationsfarmer den vorgesehenen Kaffee bereits anderweitig verkauft und nicht auf uns gewartet. In Krisenzeiten eine sehr verständliche Entscheidung. Leider hatten wir nun nicht mehr genug Ware für eine ganze Palette, um einen ersten richtigen Transportprozess zu organisieren. Der teurere Prozess wurde also ineffizient und damit noch teurer, schlicht einfach unbezahlbar. Mit dem Anspruch nach den ökologischen Nachhaltigkeitsprinzipien zu handeln, war es für uns unvorstellbar, den Kaffee mit dem Flugzeug nach Deutschland zu bringen. Auch, wenn dieser Transportweg weitaus günstiger und schneller gewesen wäre.
Eine Alternative musste her: Wir fanden eine Kooperationspartnerin, die für uns zwei Säcke Kaffee mit nach Europa transportieren wollte. Hier begann ein neuer Prozess. Ausführliche Dokumentation, die der Staat Myanmar in einer fast deutschen Beamtengründlichkeit forderte, fehlende Container sowie fehlende Containerschiffe, die den Transport nach Europa tätigen sollten.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis der Kaffee Mitte Januar 2022 (mit fast einem Jahr Verzug!) per Seefracht seinen Weg nach Europa begann. Die Herausforderung besteht jetzt darin, dass der Kaffee erstmal nach Antwerpen, Belgien, kommt und von dort noch zu uns ins Hamburger Lager gelangen muss.
„An diesem Kaffeeprojekt und den aufgeführten Logistikprozessen lässt sich erkennen, mit welch kleinen und großen, aber doch elementaren Herausforderungen ein junger Verein wie Wesponsible e.V. es beim Aufbau von gemeinwohlorientierten Kooperationen zu tun hat. Wir haben gelernt, wie wichtig vertrauensvolle Kommunikation und transparenter Austausch ist.“
Trotz der vielen Hindernisse lassen wir uns nicht den Mut nehmen! Wir freuen uns über unsere erste kleine Kaffeelieferung, die wir hoffentlich Ende April 2022 in den Händen halten. Dann können auch unsere großartigen Unterstützer:innen, die bereits zu Beginn an unsere Vision geglaubt haben, endlich ihr Dankeschön erhalten.
Ganz nebenbei – wir planen bereits die nächste – erste große – Lieferung… Dazu bald mehr!